Neustart für Niki und Simon 26
Heute neue Einheiten 🙂
155. Niki
Immer wieder sage ich mir ›bleib ruhig‹, aber gedanklich wünsche ich mir, dass meine Mutter mal nicht ihr Ding durchzieht und etwas mehr wie mein Vater ist. Auch, wenn dieser mich gerade auch nervt. Aber er zumindest meint es zumindest gut.
Mein Blick geht auf die Uhr. »Du solltest langsam nach Hause«, sage ich zu Simon, als mein Vater gerade sich nach nimmt. »Schließlich ist morgen ja Schule.« Ich stehe auf.
»Es war so klar, dass du dich wieder rauswinden willst.«
»Astrid«, seufzt mein Vater.
Sie knallt das Besteck auf. »Und warum hältst du jetzt wieder zu ihr?«
Kopfschüttelnd lehnt er sich zurück. »Ich finde nur, dass du überreagierst. Kein Wort hast du zu dem jungen Mann gesagt.«
»Ich bin nicht so dumm und glaube diesen ganzen Schmarrn, den er von sich gibt.«
Meine Faust landet auf dem Tisch. »Es reicht, kannst du nicht ein einziges Mal von dein hohem Ros runtersteigen?«
»Wie bitte? Ich habe mich für den in die Küche gestellt!«
»Und behandelst ihn immer noch wie Dreck, den du loshaben willst.«
Sie presst ihre Lippen aufeinander.
»Ihr solltet gehen«, sagt mein Vater und mit seiner Stimme, der mir sagt, besser ist es, das zu tun, was er befiehlt.
»Komm Simon, ich bring dich runter.«
156. Simon
Ich bin mehr als dankbar, dieser Situation entfliehen zu können. Und meine Meinung über Domoniques Mutter verfestigte sich immer mehr. Ich kann diese Frau nicht ausstehen. Sie bringt einen absoluten Würgreiz in mir hervor.
Ihr Vater war wirklich in Ordnung und scheinbar ein feiner Kerl. Er würde sich wohl gut mit meinem Vater verstehen.
Ich verabschiede mich von ihm, danke für das Abendessen und verlasse ohne einen weiteren Blick auf ihre Mutter den Raum. Während wir die Treppe heruntergehen, kann ich sie oben noch keifen hören. Himmel, ich würde irre werden mit so einer Mutter.
An der Tür dreht sich Dominique zu mir um. Ich sehe ihr an, dass sie fertig ist.
»Geht es dir gut?«, frage ich leise und nehme sie in den Arm.
Sie legt ihre Stirn auf meinen Brustkorb und atmet tief durch. »Nicht wirklich. Ich weiß, dass mich gleich die Hölle erwartet, wenn ich wieder hoch gehe.« Sie sieht auf. »Es tut mir leid, dass meine Mutter sich so schlimm benommen hat.«
Ich zucke mit den Achseln. »Dafür kannst du nichts. Manche Menschen sind einfach gefangen in ihrem Frust und ihrer permanenten schlechten Laune.«
157. Niki
Kurz muss ich lächeln. »Das trifft definitiv auf meine Mutter zu.« Tief atme ich durch. Im Grunde ja nicht nur auf sie, ich bin ja nicht wirklich anders. »Schlaf gut«, sage ich dann und wende mich schnell ab. An der Tür drehe ich mich zu ihm noch mal um. »Simon.«
Er legt seine Stirn in Falten.
»Danke, dass du mich so akzeptierst, obwohl ich so verkorkst bin.«
Seine Antwort verstehe ich nicht, da im Treppenhaus mein Name gekeift wird.
»Bis morgen«, seufze ich und schließe die Tür hinter mir. Mehr muss er nicht mitbekommen. Langsam gehe ich höher und ihr ist es anscheinend zu gemach, immer wieder schreit sie meinen Namen und das ich mich beeilen muss.
Oben angekommen, sehe ich sie abfällig an.
»Du bist so eine undankbare Göre!«
»Astrid«, keucht mein Vater.
»Warum?«, will ich wissen. »Weil ich nicht einfach springe, weil du es gerne hättest? Oder weil ihr mir beigebracht habt, Meinungen zu äußern? Oder weil ich Simon von dir befreit habe?«
Sie schnaubt. »Du und dieser Typ ist Vergangenheit.«
»Das wüsste ich aber.«
Mein Vater stellt sich dazwischen. »Niki, geh in dein Zimmer.«
»Aber …«
»Nichts aber.«
»Sie bleibt hier«, faucht meine Mutter und er drückt mich in die Wohnung.
»Ja, ich bin auf ihrer Seite. Der junge Mann tut ihr gut und damit ist diese Diskussion zu Ende. Des Weiteren wirst du dich erst mal beruhigen und sie nicht ständig beleidigen.«
Ich stehe im Flur und kann nur den Rücken von meinem Vater anstarren. Dass er sich mal so gegen sie richtet, hätte ich nie gedacht.
»Geh in dein Zimmer und mach dich bettfertig, du hast morgen Schule!«, brummt er. Seufzend tue ich, was er von mir verlangt. Im Zimmer nehme ich das Pferd vom Schreibtisch und setze mich damit ans Bett.
158. Simon
Ich kann mir vermutlich lebhaft vorstellen, was bei Dominique gerade zu Hause vor sich geht. Es macht mich traurig, dass sie ein ebenso verkorkstes Elternhaus hat wie ich. Ich verstehe es nicht. Doch muss ich das? Ich glaube nicht. Meine Hoffnung bestand darin, dass ich es irgendwann einmal besser machen würde, insofern ich mich für Kinder entscheiden würde.
Als ich zu Hause reinkomme, blickt mein Vater um die Ecke des Türrahmens.
»Nanu, du bist aber früh wieder hier«, bemerkt er und mustert mich. »So wie du aussiehst, war es kein erfreulicher Abend.«
»Nein, absolut nicht. Die Mutter von ihr hat genauso einen Dachschaden wie meine«, sage ich bitter.
Mein Vater schließt kurz die Lieder.
»Entschuldige«, murmel ich, denn es tut mir leid. »Ich habe nicht nachgedacht und bin einfach frustriert.«
Er sieht mich wieder an. »Es ist alles in Ordnung, Simon. Du hast ja recht. Es ist nur bitter, wenn man so was vooch einmal.
»Schon gut. Wirklich.« Er wirft einen Blick auf die Uhr. »Willst du noch reden?«
»Nein, ehrlich gesagt nicht. Es änn seinem eigenen Sohn zu hören bekommt.«
»Tut mir leid«, versuche ich es ndert nichts. Wir müssen abwarten. Vermutlich. Wie sagst du immer so schön, Spekulationen bringen nichts.«
Er lächelt leicht. »Tun sie auch nicht. Außer, dass sie einem das Hirn kaputtmachen, passiert da nicht viel.«
159. Niki
Als ich aufwache, bin ich allein in der Wohnung. Schnell mache ich mich fertig, greif zu dem Obst auf dem Tisch und gehe los. Simon hat meine Tasche noch. Hatte er vielleicht den Gedanken gehabt, dass ich mitkomme? Warum hat er dann nichts gesagt? Oder hat er sie einfach vergessen?
Für mich ist einfach zu viel los auf den Straßen. Egal ob Seitenstraßen oder Hauptstraße. Ist den irgendetwas passiert?
Aus einem Gartentürchen tritt Mondgesicht, als ich um die nächste Ecke biege. Seine Augen weiten sich.
»Klar so weit?«, frage ich und gehe an ihm vorbei.
Er schluckt laut, nickt stumm und als ich an ihm vorbei bin, rennt er los. Der muss ja ganz schön Angst vor mir haben. Das Schmunzeln kann ich mir trotzdem nicht verkneifen. Ich habe ihm ja nichts getan. Aber ich weiß, dass ich recht bissig sein kann und das Verkraften andere wieder nicht. So ist das Leben, Mondgesicht, geht mir durch den Kopf und gehe weiter.
Bei der nächsten Ecke, höre ich das Quietschen einer Bremse und schon rammt mich am Bein ein Reifen, ein Lenkrad drückt sich in meine Hüfte und ein Helm knallt auf meine Stirn.
»Scheiße«, dringt an mein Ohr, während ich ungebremst auf den Boden krache.
»Aua«, gebe ich von mir, als ich auf dem Boden liege. Gefühlt bin ich auf hunderte nadeln gelandet.
»Es tut mir leid, ich war zu schnell«, sagt der Junge. »Ich helfe dir.«
»Fass mich nicht an«, fauche ich und unterdrücke meine Tränen. Der Geruch von Metall ist stark. Ich schließe meine Lider, kann ein Tag noch beschissener starten? Ja, ein Auto statt einem Fahrrad und in der Früh meine Mutter zu ertragen.
160. Simon
Ich habe bescheiden geschlafen und weiß nicht, was ich machen soll. Wie ein Tiger gehe ich durch meinen imaginären Käfig. Schlussendlich halte ich es aber nicht mehr aus.
In der Küche schnappe ich mir die beiden Brotdosen, stopfe eine in meine Tasche, die andere in Dominiques, denn wie ich sie kenne, hat sie sicher wieder nichts mitgenommen.
Allerdings hätte ich bei der Stimmung im Haus auch keinen Hunger.
Anschließend schnappe ich mir den Schlüssel und verlasse mit beiden Taschen das Haus.
Wie auf Autopilot laufe ich die Strecke, die ich schon einige Male in der letzten Zeit zurückgelegt habe, und komme an der Ecke an, an der wir uns treffen müssten.
Was ich sehe, lässt mein Blut in den Adern gefrieren. Sofort renne ich zu ihr. Sie sitzt auf dem Boden und sieht aus, wie eine Wand.
Neben ihr ein Junge, der noch einen Fahrradhelm trägt und ihr ständig hochhelfen will. Immer wieder lehnt sie ab. Allein aufgrund der fauchenden Art wäre mir anstelle des Jungen alles vergangen. Doch ich kenne diese Hilflosigkeit, die man in dem Augenblick verspürt.
»Hey«, sage ich leise und streiche ihr über den Arm. »Kannst du aufstehen?«
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